Bewegung und Sport sind wichtig, vor allem für Kinder. Das ist natürlich auch in Wilsdruff so. Doch die allgemeinen Breitensportangebote für Mädchen und Jungen der Stadt mit rund 14.500 Einwohnern ist zu oft rar, sagen Eltern. Gerade bei Kindergartenkindern.
Es gibt Wartelisten. Es mangelt an ausgebildeten Übungsleitern, die Lust und vor allem Zeit für ein ehrenamtliches Engagement neben Beruf und Familie haben. Die Coronavirus-Pandemie mit ihren Folgen und zahlreichen Unwägbarkeiten tut ihr Übriges.
Insbesondere beim Kindersport der SG Motor Wilsdruff hat es zudem in diesem Sommer einen größeren Einschnitt gegeben. Denn das beliebte Sportangebot des Vereins mit insgesamt 500 Mitgliedern gibt es nach mehr als einem Jahrzehnt künftig nicht mehr.
Der Kindersportleiterin, die nun aufhört, gebühre „großer Dank und höchste Anerkennung für die liebevolle und wichtige Trainertätigkeit, sie habe mit ihrer Arbeit den Grundstein für Freude am Sport und Bewegung gelegt“, heißt es von Eltern.
Es entsteht nun aber eine Lücke. Um diese zu füllen und auch für ihre beiden Kinder regelmäßige Sportangebote zu ermöglichen, hat sich Sophie Hennig aus dem Ortsteil Limbach Gedanken gemacht. Nach vielen Jahren soll in der SG Motor Wilsdruff die Leichtathletik-Abteilung neu gegründet werden.
„Natürlich haben wir sehr gute Abteilungen beim SG Motor Wilsdruff, wo Kinder spezifischen Sportarten nachgehen können“, erklärt die 34-jährige Sophie Hennig (Foto, links). „Ich möchte meine Kinder aber nicht so früh in eine Sportart drängen, sie sollen sich erst mal orientieren und sich ihren Fähigkeiten entsprechend entwickeln.“ Dazu biete die Leichtathletik als Sportart gute Möglichkeiten.
„Leichtathletik ist die Grundlage von so vielen anderen Sportarten“, erklärt die ehemalige Bob-Anschieberin, die 2008 mit der damaligen Nachwuchspilotin Carolin Zenker die Deutsche Juniorenmeisterschaft gewinnen konnte. „Und da wir über das wunderschöne Parkstadion verfügen, lag Leichtathletik als Angebot mit ihrer Vielfalt an Bewegungseinheiten auf der Hand.“
Sportanlagen kaum oder gar nicht genutzt
Im vor über zwei Jahrzehnten eingeweihten Parkstadion können sämtliche Leichtathletikdisziplinen ausgeübt werden. Egal, ob Sprint, Weitsprung, Speer- oder Diskuswurf, Kugelstoßen, Stabhochsprung oder Hindernislauf: Alles ist machbar. Doch die Anlagen werden gegenwärtig selten oder gar nicht genutzt.
„Als es das letzte Mal in Wilsdruff eine Leichtathletik-Abteilung gab, da waren Fotos noch schwarz-weiß. Das ist alles schon sechs Jahrzehnte her“, sagt Mario Gnannt, der Vereinsvorsitzende der SG Motor (Foto, rechts). „So eine Abteilung dauerhaft aufzubauen wird kein leichter Weg, weil es immer viele Leute braucht, die sich da reinknien. Vor allem was die Absicherung des Trainings betrifft.“
Bis vor etwa mehr als 15 Jahren habe es zwischendurch mal eine Leichtathletik-Schul-AG in Wilsdruff gegeben. Diese wurde von der Hürdenspezialistin Heike Meißner geleitet, die mehrfache Deutsche Meisterin war, 1996 bei den Olympischen Spielen in Atlanta Platz fünf über die 400 Meter Hürden holte und 2002 zu EM-Silber lief. Doch die nach ihrem Karriereende sehr engagierte Grundschullehrerin wechselte zurück nach Dresden. Die Trainings-AG im Parkstadion löste sich auf.
Es ist wie in anderen Kommunen und Vereinen auch: Ohne ehrenamtlich tätig, ausgebildete Übungsleiter und Trainer keine dauerhaften Sportangebote. Letzteres soll sich ändern, in Wilsdruff wird künftig Leichtathletik angeboten, zunächst für Kinder, später mitunter auch für Jugendliche und Erwachsene.
Die 34-jährige Sophie Hennig hat sich vorgenommen, zusammen mit einer langsam aber sicher wachsenden Zahl an Unterstützern, der Abteilung Leichtathletik neues Leben einzuhauchen.
„Die Coronazeit hat in vielen Bereichen der Gesellschaft riesige Defizite aufgezeigt. Bei den meisten Entscheidungen hat man keinen Einfluss und kann sie einfach nur so hinnehmen. In dieser Zeit dachte ich mir aber, immer nur meckern ist auch keine Lösung. Versuch etwas, wo du Einfluss nehmen kannst“, sagt die Mutter von zwei jungen Kindern.
Gesagt, getan. Und mittlerweile können sich auch andere Wilsdruffer Eltern für ihre Idee mit dem Leichtathletik-Kindertraining im Rahmen des Vereinssports begeistern.
„Für meine Tochter habe ich auch keinen Platz in der Kindersportgruppe gefunden, wir stehen auf der Warteliste, und jetzt gibt es das Angebot leider nicht mehr“, erklärt Viviane Baumert (Foto, Mitte). „Daher finde ich die Idee mit dem Leichtathletikangebot gut und werde selbst mitmachen.“
Die 36-jährige Limbacherin, die nahezu täglich Sport treibt, absolviert ab September eine Übungsleiter-Ausbildung. Für Grund- und Lizenzlehrgänge kann man sich über die Homepage des Kreissportbundes anmelden.
Viviane Baumert möchte künftig die neue Breitensport-Kitakinder-Sportgruppe übernehmen. Die wöchentlichen Kurse sollen in Turnhallen stattfinden. Ab und zu können die Kitakinder auch die Außenanlagen für ersten Trainingseinheiten bei der Kinderleichtathletik nutzen.
Der Zeitplan steht
Der Zeitplan für den Aufbau der Abteilung steht: In diesem Jahr wird sie neu gegründet. Bei einem Herbstsportfest in kleinem Rahmen, das in diesem Oktober geplant ist, sollen Kinder aus Wilsdruff und Umgebung in das Angebot reinschnuppern.
Bis dahin sollen neben den beiden Übungsleitern, die bereits zugesagt haben, noch weitere Trainer für die Sektion gewonnen werden. Dazu wurde gerade im Amtsblatt der Stadt ein Aufruf gestartet. Ehemalige Leistungssportler sollen sich angesprochen fühlen, Sportlehrer (auch im Ruhestand), aber ebenso Schüler ab 16 Jahren, die Erfahrungen als Trainerassistenten sammeln möchten. Übungsleiter sollen „eine sehr gute Aufwandsentschädigung“ erhalten für ihre Trainingsarbeit, heißt es.
Weitere Sponsoren werden gegenwärtig gesucht, Finanzierungsmöglichkeiten aus Fördertöpfen geprüft. 2022, zum Start in die Freiluftsaison, sollen feste Trainingstermine in der Leichtathletik angeboten werden. Zunächst sind für die Kinder-Leichtathletik zwei Stunden pro Wochen vorgesehen.
Für Kitakinder werde zunächst das Breitensportangebot mit Ballspielen und Grundlagenübungen geschaffen. Es soll anfangs einmal pro Woche in der Zeit zwischen 13 und 16 Uhr für eine Stunde angeboten werden.
Ein Sportfest, das in der Zeit rund um den Kindertag am 1. Juni 2022 angedacht ist, soll dann schließlich der offizielle Startschuss sein.
Rekordweltmeister würde Trainingstipps geben
Rekordweltmeister Francesco Friedrich vom BSC Sachsen Oberbärenburg findet die Idee seiner ehemaligen Vereinskollegin nicht schlecht. Es sei gut, die Jüngsten über so ein Leichtathletikangebot an den Sport heranzuführen. Der 31-jährige Pirnaer könnte sich sogar vorstellen, einmal im Jahr beim Training der Kinder in Wilsdruff vorbeizuschauen, Tipps zu geben und mit ihnen zusammen zu trainieren.
Der Doppel-Olympiasieger war vor seinem Wechsel zum Bobsport viele Jahre beim LSV Pirna als Leichtathlet aktiv. Und er kennt die Schwierigkeiten, allgemeine Breitensportangebote für kleine Kinder zu finden. „Das war ganz schwer, auch bei uns in der Gegend „, erklärt der Familienvater. „Es gab mal jemanden. Aber die Frau konnte das leider nicht weiter anbieten, weil sie keinen Raum dafür hatte, der bezahlbar war.“
Mittlerweile hat Friedrich zum Glück einen Verein gefunden, der regelmäßig Kindersport anbietet. „Es wäre schön und gerade mit Blick auf den Schulsport eigentlich wichtig, wenn es insgesamt mehr solcher allgemeinen Sportangebote für jüngere Kinder geben würde, die ein- bis zweimal in der Woche stattfinden“, sagt er.
Kinder würde dann bestimmt mit mehr Spaß am Schulsport teilnehmen und dabei sicherer auftreten. „Sie wären besser vorbereitet, weil sie wissen, wie bestimmte Übungen funktionieren“, sagt Friedrich.
Im Wilsdruffer Rathaus stößt das Neugründungsvorhaben ebenfalls auf Zuspruch: „Alle Sportangebote, gleich wer diese organisiert, sind wichtig. Unsere Sportvereine sind hier seit Jahren im Kindersport aktiv. Im Vereinssport gilt es in der Zusammenarbeit mit Kitas und Schulen, frühzeitig das Interesse bei Kindern für sportliche Betätigung zu wecken“, betont Wilsdruffs Bürgermeister Ralf Rother. „Ein Leichtathletik-Angebot in Wilsdruff wäre eine tolle Bereicherung für unsere Stadt. Wir haben mit dem Parkstadion gute Voraussetzungen dafür.“
Elterninitiativen seien dabei „unbedingt notwendig, denn letztlich kommt es auf die Eltern an“, so der Bürgermeister weiter. Es braucht in jeder Sportart Trainer, Übungsleiter, Betreuer, ja selbst für den Fahrdienst, da geht nichts ohne das Engagement der Eltern.“
Im Sächsischen Ministerium des Inneren sieht man Angebot wie das nun in Wilsdruff geplante positiv – auch mit Blick auf den zuletzt immer weiter reduzierten Schulsport. „Von einem Bewegungsangebot für Vorschulkinder und Schulkinder profitieren alle Beteiligten. Zum einen die Kinder selbst. Denn für ihre Entwicklung – etwa im Bereich der koordinativen Fähigkeiten – ist Sport von enormer Bedeutung. Es profitiert aber auch der Verein, denn er gewinnt neue Mitglieder.“
Außerdem würden „in einem Sportverein Werte vermittelt, von denen letztendlich die gesamte Gesellschaft profitiert“, heißt es von einer Sprecherin auf Anfrage an Sportminister Prof. Dr. Roland Wöller, zu dessen Wahlkreis Wilsdruff zählt. „Der Vereinssport ist aber keine Alternative zum Schulsport, sondern eine wertvolle Ergänzung. Wir brauchen also beides.“
Laut SMI sei gerade im Vereinssport in den vergangenen Jahren eine Menge erreicht worden. So stelle der Freistaat dem Landessportbund im aktuellen Doppelhaushalt 2021/2022 über 52 Millionen Euro zur Verfügung: Das seien 3,8 Mio. Euro mehr im Vergleich zum vorherigen Doppelhaushalt.
Erweiterung des Wilsdruffer Stadions als Option
Und getreu dem Motto „Ohne Breite keine Spitze“ könne auch der Leistungssport von Angeboten wie in Wilsdruff „profitieren, denn nur so werden hoffnungsvolle Talente entdeckt, die dann gezielt gefördert werden können“, heißt es in der Antwort des SMI weiter.
Letzteres könnte langfristig durchaus auch in Wilsdruff ein Thema sein, hofft Sophie Hennig. Wenn sich die Zahl der Übungsleiter erhöhe und die Nachfrage weiter steigen sollte, könnte aus dem Breitensportangebot für Kinder vielleicht noch mehr werden. „Wer weiß, womöglich entsteht hier sogar mal ein Talentstützpunkt für Leichtathletik“, sagt die ehemalige Leistungssportlerin.
In den vergangenen Monaten habe es auch in diese Richtung schon erste Gespräche gegeben. Mit Sven Vesmanis etwa, dem U16-Trainer von der Talentschmiede des Stützpunktvereins Dresdner SC, aber genauso mit der hiesigen Regionaltrainerin Mandy Schneider. Doch das sei eher ein Fernziel.
„Wenn es damit klappen soll, müsste die Anlage hier auf jeden Fall erweitert werden“, sagt Mario Gnannt. Dies gelte allerdings auch dann, wenn das Trainingsangebot für die Leichtathletik ausgebaut werden soll. Denn ab circa 16 Uhr kicken im Parkstadion täglich die Fußballmannschaften der SG. Gerade in den Wurfdisziplinen gebe es dann Probleme, zeitgleich mit den Fußballern zu trainieren.
Falls es im Bereich der Leichtathletik Bemühungen geben sollte, einen Stützpunkt in Wilsdruff zu etablieren, obliegt dies laut SMI den Partnern vom Landessportbund Sachsen, dem jeweiligen Landesfachverband für jede Sportart bzw. Disziplin und den entsprechenden Standorten im Freistaat. Noch ist dies alles Zukunftsmusik.
Finanzielle Möglichkeiten zum Sportstättenbau bieten Freistaat und Kommunen. Sachsen unterstütze den Sport sehr vielfältig, etwa in der Vereinsförderung, beim Bau und der Sanierung von Sportstätten oder auch der Förderung von nationalen und internationalen Sportveranstaltungen.
Inwiefern es eine Unterstützung verschiedener Initiativen geben kann, hänge laut SMI vor allem vom Ziel einer Initiative ab. Dies kann häufig vor Ort im Zusammenspiel von Kommune und Sport entschieden werden.
Für Bürgermeister Rother sind vor allem gute Sportanlagen wichtig, wenn es um die finanzielle Unterstützung von Sportvereinen geht. „Das ist die größte finanzielle Herausforderung. Die haben wir in unseren Ortsteilen mit sieben Turnhallen, verschiedenen Außenanlagen und auch im Parkstadion“, erklärt er. „Neben der einmaligen Investition, ist es wichtig die Instandhaltung im Blick zu behalten. Darüber hinaus werden jährlich oft finanzielle Mittel aus unseren eingeplanten Ortsbudget für Sportvereine eingesetzt. Auch können die Angebote des Landes- und Kreissportbundes genutzt werden.“
Kontakt für Nachfragen bitte per E-Mail an: leichtathletik@sg-motor-wilsdruff.de
(skl/Foto: skl)