Keine 48 Stunden mehr, dann werden die 52. Rennrodeln-Weltmeisterschaften in Altenberg eröffnet sein. Es werden die dritten Titelkämpfe des Weltverbandes FIL nach 1996 und 2012, die hier im Kohlgrund ausgerichtet werden. 160 Sportlerinnen und Sportler aus über 20 Nationen werden sich hier von Freitag bis einschließlich Sonntag miteinander messen.
Der SachsenEnergie-Eiskanal wird deshalb praktisch Tag und Nacht auf Vordermann gehalten. Anspruchsvolle Bahn, klasse Ruf in der ganzen Welt, serviert wird das Eis vom Team des wohl weltbesten Eismeisters, Ralf „Hans“ Mende. Es wird gefegt, gefräst, geschaufelt und gespritzt. Das Eis gefriert.
Gleich rauschen die nächsten Rennrodler die Kunsteisbahn hinunter. Die Männer von ganz oben, die Damen vom jüngst vollüberdachten Start darunter. Die Doppelsitzer nutzen den Gästebob-Start. Am Freitag geht es gleich früh um 8.50 Uhr los mit der Sprint-Qualifikation. Allein rund 2.000 Kinder und Jugendliche aus ganz Sachsen werden dann beim „Tag der Schulen“ zum WM-Auftakt die Rennrodel-Asse anfeuern.
Rund 100 Mitarbeiter und Helfer der kreiseigenen Bahnbetreiberin WiA Altenberg mbH sorgen dafür, dass auch die dritten Kufensport-Weltmeisterschaften in fünf Jahren ein unvergessliches Erlebnis sein wird. Sie schrauben, verladen, verlegen Kabel. Drinnen arbeiten sie E-Mails ab, beantworten Fragen, koordinieren.
WiA-Geschäftsführer Jens Morgenstern rotiert. Er wirkt angespannt. Das liege aber nicht an dem am Mittwoch beginnenden Bahnstreik, betont er. Erfreut ist er darüber natürlich nicht. Im Gegenteil. „Aber wir werden sehen, wir gehen erst mal davon aus, dass am Wochenende alles so läuft wie geplant“, sagt er.
Parkplätze gebe es ausreichend, an der Bahn und auch Grenzzollanlage (Zinnwald). Busse vom Logistikpartner RVSOE pendeln zum Austragungsort der WM. Linienbusse aus Dresden und Dippoldiswalde (360, 370) fahren bis zur Haltestelle „Oberbärenburg zur Bobbahn“. Von dort sind es noch 600 Meter zu Fuß bis zum SachsenEnergie-Eiskanal.
Für Stimmung wird gesorgt sein. Nicht nur durch Fans und Rennrodel-Asse. Die Trommler von „Blechlawine“ aus Dresden (Sonnabend) und die tschechischen Blasmusiker Doubravanka aus Teplice (Sonntag) werden musikalisch anheizen. Zwischen den Rennen tanzt die Funkengarde vom Geisinger Ski- und Eisfasching. Auch WM-Maskottchen Flocki Flocksen ist mit seinen Freunden an der Bahn unterwegs.
Am Rande der Bande steht außerdem der beliebte Spielebus des RVSOE. Dort können die kleinen Besucher basteln, spielen sowie sich schminken lassen und aufwärmen. Darüber hinaus informieren Bundeswehr und Bundespolizei über Karrierechancen. Ebenfalls vor Ort sind das Infomobil vom Verkehrsverbund Oberelbe VVO und ein Promotion-Team des WM-Medienpartners MDR SACHSEN.
Bei allem Organisationsstress, der vor einer WM auf seine Mitstreiter und ihn einprasselt, freut sich Morgenstern über die Wertschätzung der Kufensport-Weltverbände und das Vertrauen in Altenberg als erneuten Ausrichter einer WM. „Sie kommen gerne zu uns, weil sie wissen, wir gehen das sehr professionell an“, erklärt Morgenstern. „Wir haben hier eine gute Qualität und auch eine Bahn, die nicht zu den einfachsten gehört, und das ist auch gut so.“
Die Bedeutung der WM für die Region könne man gar nicht wirklich in Zahlen ausdrücken. „Wenn man die ganzen Fernsehminuten hier als Werbung für Altenberg bezahlen müsste, dann wäre die Stadt arm“, erklärt er. „Für Altenberg, den Landkreis und Sachsen ist das eine super Außendarstellung.“
Freistaat, Bund und Landkreis unterstützen den Wintersport-Stützpunkt, die großen Wettkämpfe und den Sport in der Region mit Fördermitteln. Für den Erhalt und Ausbau der Anlage mit Blick auf die WM und auch auf die nächsten Junioren-Weltmeisterschaften im Bob und Skeleton und Rennrodeln in den kommenden Jahren. Rund vier Millionen Euro zuletzt. Neue Überdachungen, neue Toiletten, Umkleiden, das Wiegehaus wurde ausgebaut, der Materialkontrollraum wurde erneuert. Die Tribüne im Zielbereich ist erweitert worden. Fortan haben mit rund 2000 Zuschauern mehr als doppelt so viele Fans als bisher dort Platz.
Pressechefin Uta Schirmer läuft vorbei. Ein kurzes Hallo! Sie zeigt einem Fernsehteam die erweiterte Tribüne, während unten im Eiskanal die die nächsten Rennrodler in den Zielbereich eintrudeln. Fröstelnde Champions analysieren vor dem Wiegehaus ihre Trainingsläufe.
Morgenstern muss jetzt weiter. Es warten „drei vollgepackte WM-Tage von Freitag bis Sonntag mit Spannung und Unterhaltung für Jung und Alt“, erklärt er und verabschiedet sich. Noch ein kurzes Gespräch mit zwei Arbeitern, die die Bühne fertig stellen. Ein weiterer bringt eine Plane vorbei. Der Schnee wird stärker, wirbelt durch die Luft, während die Sportlerinnen und Sportler durch die Kunsteisbahn wirbeln.
Schneegestöber! Oder ist es doch Regen? Zwischen den Ansagen, wer nun als nächstes durch den Eiskanal rauschen wird, summt immer wieder Musik. Unterhaltsam. Entspannt. Billy Idol schmachtet im Hintergrund „Eyes Without A Face” durch die Boxen. Es duftet nach Waffeln, Pommes und leckerem Kassler auf die Hand. Ein Hauch von Weihnachtmarkt-Atmosphäre liegt in der Luft.
Ein Transporter kommt, ein weiterer fährt davon. Und im Minutentakt zischen die Schlitten vorbei, durch den Kreisel. Einige Fans sind hierher gekommen. Sie drücken die Daumen, verfolgen die Zeiten ihrer Lieblinge auch auf den Bildschirmen und den Anzeigen an der Bahn.
Unten im Auslaufbereich kommen jetzt Weltmeister und Olympiamedaillengewinner ins Ziel. Die deutsche Nationalmannschaft und mehrere „Exoten“, zum Beispiel aus Irland oder auch Argentinien, feilen an ihren Zeiten. Weitere sprechen über Materialoptimierungen.
„Die Bahn ist heute etwas langsam“, sagt Weltmeisterin und Vize-Olympiasiegerin Anna Berreiter vom RC Berchtesgaden. Das hänge aber mit dem Wetter zusammen. Angespannt wirkt sie nicht.
Genauso wie Jessica Degenhardt vom RRC Altenberg. Gut gelaunt trotz miesen Wetters gerade. „Einen besonderen Druck verspüre ich nicht. Ich kenne die Bahn und weiß, worauf es ankommt“, erklärt die 21-jährige Dresdnerin. „Und na klar, ist auch mal ein Lauf dabei, der nicht so gut läuft, aber das ist normal und wichtig. Wir probieren auch immer wieder mal was aus, auch mit Blick auf die unterschiedlichen Wetterverhältnisse.“
Diese Woche sei neben dem Training viel los, auch was die Medienarbeit betrifft. Der Fokus liegt auf die Rennen. Das Ziel ist klar. Zusammen mit der Winterbergerin Cheyenne Rosenthal will sie ihre Titel vom Vorjahr verteidigen. Hier bei ihrer Heim-WM. Jessica Degenhardt und Cheyenne Rosenthal haben 2023 dreimal Gold geholt – im Doppelsitzer, im Sprint und in der U23-Wertung.
Schon am Freitag steht die erste Entscheidung im Sprint an. Um 15.40 Uhr wird es ernst bei den Doppelsitzer-Damen in diesem Wettbewerb. Die Qualifikation beginnt schon am Morgen.
Das Schneetreiben wird stärker. Jessica Degenhardt steigt in den Teambus. Im Hintergrund packt Vize-Weltmeisterin Julia Taubitz vom WSC Erzgebirge Oberwiesenthal ihren Schlitten ein. Noch schnell ein Foto mit zwei Fans.
„Für mich ist das hier ein Traum. Einmal im Leben eine WM auf der Heimbahn, auf der man das Rodeln gelernt hat, fahren zu dürfen, was gibt es Schöneres“, sagt die zweimalige Weltmeisterin von 2021 aus Sachsen. Wie viele Fans ihres Fanclubs an den drei Renntagen dabei sein werden, wisse sie nicht, schmunzelt aber: „Ich weiß, dass sie zwei Reisebusse gechartert haben und das halbe Erzgebirge mitbringen“. Zeit, mal einen Abstecher nach Haus nach Annaberg-Buchholz zu machen, habe sie nicht. Das Training stehe natürlich im Fokus.
Noch zwei Trainingstage. Dann geht es endlich los. Am morgigen Donnerstag ab 19 Uhr mit der Eröffnungsfeier auf der WM-Bühne am Skihang Altenberg. Und am Freitag werden die ersten Weltmeister gekürt.
Alle Infos und TICKETS gibt es im Internet unter: wm-altenberg.de.
(Text/Fotos: Stephan Klingbeil)