Für die deutschen Bobsportler beginnt die heiße Phase der Saisonvorbereitung: Unter von der Coronavirus-Lage beeinträchtigten Bedingungen fand am vergangenen Wochenende bereits der erste Zentrale Leistungstest (ZLT) im Einzel-Anschub für die bevorstehende WM-Saison 2020/21 auf der Eisstartanlage in Oberhof statt.
„Der ZLT ist für alle Athletinnen und Athleten ein ganz wichtiger Test, um sich in der Nationalmannschaft einzuordnen“, erklärt Bundestrainer René Spies die Bedeutung des jährlichen ZLT. „Dann hat der Test zum einen Relevanz für die teaminterne Order, das heißt, wer sind die schnellsten Anschieberinnen und Anschieber im jeweiligen Team. Falls das Team sich für den Welt- oder Europacup nicht qualifiziert, ist dieser Test zum anderen auch die Plattform, um sich mit Topleistungen für andere Teams zu empfehlen.“
Bei den Piloten ließ sich Doppelweltmeister Francesco Friedrich vom BSC Sachsen Oberbärenburg von den jungen Wilden nicht unter Druck setzen.
Der Pirnaer (Foto) gewann mit dem 95 Kilogramm schweren Anschubgerät vor den elf Jahre jüngeren Nachwuchspiloten Adam Ammour (BRC Thüringen) und Yuri Hanssen (BRC Winterberg). Knapp dahinter folgten Philipp Zielasko und Hans-Peter Hannighofer (beide BRC Thüringen).
Bei den Anschiebern lieferten sich in diesem Jahr Alexander Schüller vom SV Halle, Paul Krenz (Mitteldeutscher Sportclub) und Issam Ammour (TuS Eintracht Wiesbaden 1846) sowohl mit dem 95 Kilogramm als auch mit dem 110 Kilogramm schweren Anschubgerät einen Dreikampf. Schüller, der im Bobteam Friedrich startet, entschied den Wettkampf auf der Bremserposition (110 kg) für sich.
Im Seitenanschub (95kg) war indes Paul Krenz nicht zu schlagen. Der Heringer war nach Vierer-Bronze bei der WM 2020 in Altenberg und dem anschließenden Rücktritt von Bobpilot Nico Walther ins Team von Junioren-Weltmeister Richard Oelsner gewechselt. Der 25-jährige Altenberger nahm selbst nicht beim ZLT teil, weil er sich nach einer Fußverletzung noch im intensiven Aufbautraining befindet.
„Hervorheben möchte ich hier noch Georg Fleischhauer, der auf der Seitenposition mit einer sehr starken Anschubleistung überzeugt hat“, sagte Spies nach dem ZLT über den Anschieber vom BSC Sachsen Oberbärenburg.
Bei den Pilotinnen konnte Lisa Buckwitz (SC Potsdam/WSV Königssee) mit sehr starken Ergebnissen in beiden Geräten überzeugen. Sie setzte sich heute sowohl mit dem 95 kg schweren Anschubgerät vor Maureen Zimmer (BRC Thüringen) und Stephanie Schneider (WSC Erzgebirge Oberwiesenthal) durch, als auch mit dem 160 kg schweren Monobob-Gerät. Hier verwies sie ebenfalls Stephanie Schneider und Maureen Zimmer auf die Plätze.
Lisa Buckwitz hatte als Anschieberin mit Mariama Jamanka 2018 bei den Olympischen Winterspielen in Pyeongchang die Goldmedaille gewonnen und in der darauffolgenden Saison ihre Ausbildung als Bobpilotin begonnen.
Bei den Anschieberinnen gewann überraschend Deborah Levi (BSC Winterberg) mit dem 105 kg schweren Anschubgerät vor Annika Drazek (TV Gladbeck) und Ann-Christin Strack (BC Stuttgart Solitude). „Deborah und Annika haben beide Top-Leistungen abgeliefert, und diesmal hatte Deborah die Nase vorn“, lobte der Chef-Bundestrainer.
René Spies war mit den Ergebnissen des ersten zentralen Eisstarttests in Oberhof sehr zufrieden: „Die wichtigste Erkenntnis ist zunächst, dass sich niemand beim Test verletzt hat. Wir haben sehr, sehr gute Anschubergebnisse auf allen Positionen sowohl bei den Frauen als auch bei den Männern gesehen. Man hat, wie immer, auch gesehen, dass manche Athletinnen und Athleten noch Reserven haben, aber da geht es in den nächsten Wochen darum, diese zu erschließen.“
Am 10. Oktober folgt ebenfalls in der künstlich vereisten Starthalle am Fuße des Eiskanals in Oberhof der Anschub-Leistungstest für alle Bundeskader. Dann wird jedoch nicht einzeln, sondern mit voller Teamstärke in den Zweier- und Viererbobs gestartet.
Spies geht davon aus, dass dann auch die derzeit leicht verletzten Kim Kalicki, Kira Lipperheide, Johannes Lochner und Richard Oelsner wieder mit am Start sind. Die Wiesbadener Vizeweltmeisterin Kim Kalicki, die in Altenberg trainiert, hatte aufgrund einer noch nicht ganz auskurierten Achillessehnenentzündung passen müssen.
Anders als in den Vorjahren findet der traditionelle Anschubwettbewerb am 10. Oktober unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt. Die ursprünglich am ersten Oktoberwochenende in Oberhof geplanten 5. Deutschen Meisterschaften im Bob- und Skeleton-Anschub und der parallel ausgetragene internationale Startwettkampf waren indes aufgrund der aktuellen Corona-Pandemie komplett abgesagt worden.
Die entscheidenden, insgesamt drei Selektionswettkämpfe finden dann in den Wochen ab dem 19. Oktober 2020 statt. Mitte November sollte klar sein, wer im deutschen Weltcupteam an den Start gehen wird. Der erste Weltcup der neuen Saison findet vom 20. bis 22. November 2020 im lettischen Sigulda statt.
(bsd/skl/Foto: skl)